Die Öffnungszeiten sind von 10 bis 20 Uhr, deshalb bin ich schon zu nachtschlafener Zeit um 08:40 in Langen losgefahren und war 10:40 dort.
Mit "dort" ist ein Parkhaus in der Du-Ry-Straße gemeint, denn "Du-Ry" lässt sich schön schnell ins Navi eingeben :-)
Es gibt sicher auch kostenlose Parkplätze, aber mir war die Zeit wichtiger als die 6,50 EUR.
Das Documenta-Gelände
Die Documenta besteht aus fünf Gebäuden, sortiert nach Wichtigkeit (meine Meinung):
Fridericianum mit Mohnfeld und Karussell
Auepavillon mit Holzturm(-Ruine)
documenta-Halle
Neue Galerie mit Souvenir-Ständen
Schloss Wilhelmshöhe mit Reisfeld und Shipwreck
Vier davon sind in der Innenstadt, maximal 5 Gehminuten voneinander entfernt, man bezeicchnet diesen Bereich auch als documenta-Gelände.
Das fünfte (Schloss Wilhelmshöhe) liegt etwas außerhalb.
Karten und Übersicht
Karten, Audioguides, Führungen, Taschen, Vasen etc. bekommt man in weißen Containern außerhalb der Gebäude.
Bei jedem Gebäude gibt es diese Container. Außer bei Schloss Wilhelmshöhe, aber da ist sowieso alles anders.
Der Eintritt kostet 18 EUR, die Audioguides sehen aus wie rote MP3-Player.
Es gibt wohl auch ein Faltblatt mit Lageplan, ich hatte mich allerdings schon vorher im Internet versorgt.
Allerdings nicht auf der documenta-Homepage,
denn da fand ich nur Blabla über die Poetik dieser documenta usw., aber keinen Plan. Den gibt es aber, ich war nur blind.
Wenn man das Menü Ausstellung aufruft, erscheint ein Untermenü Ausstellungsplan. Ich hatte die Sachen allerdings dann unter www.kassel.de gefunden.
Überhaupt ist Ausschilderung und Übersichtlichkeit wohl nicht das Ziel der Ausstellung.
Der Hinweis auf die Toiletten im Friedericianum war z. B. mit Filzstift an die Wand gekritzelt.
Mein Essen hat sich heute auf eine Bratwurst in der Nähe des Rahmenbaus und zwei Eis beschränkt. Mit kulinarischen Tipps kann ich also nicht dienen. In der documenta-Halle und im Auepavillon gibt es auch Imbiss-Ecken.
Verbote und Garderobe
Kleinere Taschen sind erlaubt, aber Rucksäcke und größere Taschen (auch die größeren documenta-Tragetaschen) sind verboten.
Es gibt aber Garderoben-Container, wo man sie kostenlos abgeben kann. Jacken darf man nicht über dem Arm tragen, sondern man muss sie entweder anziehen oder umbinden.
Man darf fotografieren, aber nicht mit Blitz. Meine Bilder sind deshalb oft etwas verwackelt. 1/8 Sekunde freihand zu halten ist halt etwas schwierig. Apparate mit großem Objektiv oder mit Entwackel-Automatik sind da eindeutig im Vorteil.
Thematische Gliederung der documenta
Es gibt keine thematische Gliederung. Von allen Künstlern gibt es meist mehrere Werke, die auf mehrere Gebäude verteilt sind. Überall ist ein bisschen was von jedem.
Die Gesamtgröße der Ausstellung lässt es aber zu, sämtliche Werke an einem Tag "abzuklappern",
sodass ich diesen Weg gewählt habe, nicht gezielt nach einzelnen Dingen zu suchen, sondern alle Gebäude der Reihe nach zu durchwandern und die Sachen einfach auf mich wirken zu lassen und spontan zu erkennen, was mich anspricht. Zeitaufwand:
Im Fridericianum brauchte ich ca. 20 Minuten je Etage, plus ca. 30 Minuten Performance (Trisha Brown) zur vollen Stunde.
Neue Galerie: 45 Minuten. documenta-Halle: 15 Minuten. Auepavillon: 10 Minuten draußen, 30 Minuten drinnen.
Insgesamt hat es knapp 5 Stunden gedauert. Dazu kamen noch knapp 2 Stunden Wilhelmshöhe, die ich mir aber hätte sparen können.
Mohnfeld
Der ganze Friedrichsplatz vor dem Fridericianum wurde von Sanja Iveković mit Mohn bepflanzt.
Ein Teil davon ist Blaumohn, aus dem man Rauschgift gewinnen kann. Er ist an den eher magenta-farbenen Blüten zu erkennen.
Ob damit auf die Verbindung zwischen Telekom und Doping hingewiesen werden sollte?
Ich fand das Mohnfeld jedenfalls gar nicht so schlecht. Der Blaumohn-Anteil lag übrigens deutlich unter den 10 Prozent aus der Ankündigung. Da wurde wohl schon gepflückt...
Fridericianum
Die 15 Meter lange Schlange vor dem Gebäude gab es nur, weil der Einlass etwas überfordert war, es hat aber nur einige Minuten gedauert.
Zeit um die Außen-Verzierung von Iole de Freitas anzuschauen. Sie setzt sich im Inneren in der 1. Etage fort.
Fridericianum: Erdgeschoss
Im linken Flügel fand ich nichts interessantes. Juan Davila (am Ende) ist der einzige Künstler der documenta, der mir unangenehm aufgefallen ist mit seinen drastisch-politisch-pornographischen Gemälden.
Man kann ihn aber verkraften bzw. ignorieren, er hat wohl in jedem Gebäude ein Bild.
Im rechten Flügel fand ich den "Wasserfall" von Zheng Guogo interessant - Ein großer Quader aus Kerzenwachs. Dass es sich dabei um Kalligrafien handelt, habe ich erst später gelesen.
Auch die Fotomontage "Land-escape" von Zofia Kulik ist irgendwie beeindruckend.
Fridericianum: 1. Etage
In der Mitte der ersten Etage steht das Wäsche-Gerüst von Trisha Brown. Ich kam 11:35 dort an, es lief gerade die Relax-Phase ("Floor of the Forest") der Performance.
In den Kleidungsstücken, die an den Seilen befestigt sind, hingen drei Tänzer und Tänzerinnen und relaxten. Ab und zu kletterten sie über das Gerüst und suchten sich einen neuen Platz.
Die Performance beginnt zu jeder vollen Stunde mit dem Tanz, und dann folgt eine Weile die Relax-Phase.
Der Tanz ("Accumulation") dauert ca. 30 Minuten und besteht darin, dass die Akteure (3 Gruppen je 3 bis 4 Performer)
einen immer wieder gleichen monotonen Bewegungsablauf zeigen, meist ohne Ton, teilweise auch zu Musik, die aber im Takt absichtlich nicht zu den Bewegungen passt.
Die Relax-Phase fand ich ganz originell, wohingehgen der Tanz, nun ja, weniger genial war.
Der Typ im Vordergrund ist ein Guard (Aufsicht), der die Zuschauer immer wieder ermahnte, keinen Blitz ("no flush") zu benutzen.
Über die Ästhetik der Türme von Kampfpanzern hat sich Anatoli Osmolovsky Gedanken gemacht.
Ein Bild "Switch" von Lee Lozano fand ich noch recht gut. Gegenüber hängt das dazugehörige "Clash", das ich nicht so schön finde.
Switch und Clash hängen im Abteil des viel gerühmten Bildes "Betty" von Gerhard Richter, das ich nicht so toll fand. Man sieht ihm zu sehr an, dass es nach einem Foto gemalt ist.
Fridericianum: 2. Etage
Ein Hingucker in der 2. Etage ist die Lampen-Plastik "Electric Dress" von Tanaka Atsuo. Ab und zu fangen sie an, wild zu blinken.
Auch die Wand-Skulptur "Fire" von John McCracken ist ganz nett, wenn auch der Titel nicht ganz passt.
Auf dem Friedrichsplatz hat Andreas Siekmann das Denkmal von Friedrich II. mit einem Karussell umgeben, das gesellschaftskritische Themen aufgreift. Ambitioniert, aber nicht genial.
Neue Galerie
Vom Friedrichsplatz zur Neuen Galerie gelangt man über die Straße Schöne Aussicht.
Dort gibt es viele Stände mit Andenken, afrikanischen Schnitzereien und anderen Sachen, die sich auf die documenta beziehen.
In der Galerie befindet sich normalerweise die Josef-Beuys-Ausstellung, die zur documenta entfernt wird.
Neue Galerie: Erdgeschoss
Im Erdgeschoss fand ich nichts besonderes. Am Ende ist der großartige Raum mit der Rotunde "Collateral" von Sheela Gowda.
Man muss anstehen, weil in die Rotunde nur wenige hineinpassen, aber man kann von der Seite ein wenig hineinschauen und sieht, dass es sich nicht lohnt.
Neue Galerie: 1. Etage
In der ersten Etage fand ich das Licht-Haus "Love Songs" von Mary Kelly recht beeindruckend.
In die Wände sind Texte eingeschnitten, die man von innen schwarz auf weiß lesen kann, wenn man will.
Neue Galerie: Keller
In glühender Schrift prangt an der Wand bei Gonzalo Díaz der Satz "Wir suchen überall das Unbedingte und finden immer nur Dinge".
Leider finden wir die auch nicht, denn die Schrift glüht nicht, weil das Relais jetzt schon zum dritten Mal kaputt ist.
Überbleibsel
Links neben dem Fridericianum, hinter den Garderoben-Containern steht auf dem Dach noch eine Figurengruppe aus dem Jahre 1992 von der DOCUMENTA IX. Die Kisten hatte ich zunächst für echt gehalten, sind aber auch aus Keramik.
Wenn man vom Fridericianum über die große Straße schaut, sieht man den Rahmenbau, der noch von der documenta 6 (1977) hier steht.
documenta-Halle
Zwischen dem Staatstheater und dem Rahmenbau liegt die documenta-Halle. Am Eingang steht nicht "documenta-Halle" sondern "Meeting Point". Und so sah es drin auch aus: Eher ein Pressezentrum und Vortragssaal. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass es aber hier auch Kunst gibt: Links die Treppe runter.
Ganz lustig ist der "Donkey With Hat & Box", der zu "Relax - It's only a Ghost" von Cosima von Bonin gehört.
An der Wand hingen Holztafeln, die irgendwie verwittert aussahen. Erst als ich den Titel las, wusste ich, dass es Skulpturen sind:
"Bread" von Anatoli Osmolovsky. Aha. Aber doch irgendwie gut...
Die Giraffe (Peter Friedl: The Zoo Story) wurde zwar viel geschmäht als nicht besonders künstlerisch,
wird aber wohl zusammen mit den anderen Natur-Objekten (Mohn, Reis) und dem von der Natur zerstörten Holz-Turm von Ai Weiwei als zentrales Objekt in Erinnerung bleiben.
Der "Phantom Truck" von Iñigo Manglano-Ovalle steht fast völlig im Finstern und setzt auf visuelle Effekte. Ein bisschen viel Aufwand, aber doch irgendwie beeindruckend. Eigentlich unknipsbar, ich hab's trotzdem versucht.
Das zweite Werk "The Radio" in einem völlig gelb überstrahlten Raum (oder rot?) ist ähnlich frappierend und verwirrend.
Auepavillon oder Aue-Pavillon
Der Auepavillon ist eine große weiße verwinkelte Zelt-Baracke, die nur während der documenta auf dem großen Rasen vor der Orangerie (in der Karlsaue) steht.
Sie bildet in etwa ein U, in dessen Mitte der Holz-Turm "Template" von Ai Weiwei stand, ein sternförmiges Gebilde aus alten Holzfenstern und Holztüren zerstörter Häuser aus China.
Ursprünglich sah er so aus:
Ein Unwetter hat ihn jedoch umgeworfen. Der Künstler wollte ihn jedoch nicht wieder aufbauen lassen, denn er sieht jetzt besser aus als vorher.
Tanaka Atsuko zeigte draußen ein 100 m2 großes pinkfarbenes Tuch namens "Work".
Auch im Auepavillon gab es angeblich Unwetter-Probleme.
"Der Kanister ist der verbreitetste Gebrauchsgegenstand in Benin“, sagt Romuald Hazoumé und hat sein Boot "Dream" aus Kanistern gebaut.
Es ist garantiert nicht schwimmfähig, also Kunst. Wirklich toll finde ich hingegen seine afrikanischen Masken, die sich bei genauerem Hinschauen als Kanister entpuppen.
"Red Alert" von Hito Steyerl sind drei LCD-Monitore von ... na, von welchem Hersteller wohl, wenn etwas von Künstlern benutzt wird?
Schloss Wilhelmshöhe
Leichtsinnigerweise habe ich "Schlosspark Wilhelmshöhe" ins Navi eingegeben, denn diese Straße war in Google Maps ganz in der Nähe des Schlosses zu finden.
Erst als es meldete Sie haben Ihr Ziel erreicht, bemerkte ich, dass es anscheinend mehrere Schlossparks Wihelmshöhe gibt, und mein Navi mich zu einem anderen geführt hatte.
Daraufhin habe ich dann eine andere Straße nahe des Ziels versucht: Ochsenallee. Doch auch hier folgte eine Irrfahrt, denn die Ochsenallee hat wohl ein anderes Ende, das mit dem von mir gesuchten nicht in Verbindung steht.
Da hatte ich dann die Nase voll und habe mit dem Hand-GPS das Schloss gesucht und die Geokoordinaten anzeigen lassen: 51,31705° Nord und 9,41949° Ost.
Das Navi akzeptiert nämlich auch Geokoordinaten als Zieleingabe. Unglücklicherweise will es sie aber in der Form Grad-Minuten-Sekunden haben, also umrechnen. Das Handy hat ja eine Taschenrechner-Funktion.
Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung kam ich am Schloss an.
Der Hang vor dem Schloss ist jetzt ein Reisfeld von Sakarin Krue-On. Angeblich gab es ziemliche Schwierigkeiten damit, unter anderem waren mal 8 °C, und das mag Reis nicht so. Aber jetzt scheinen die Pflänzchen gut zu gedeihen.
Am Schloss gibt es keine documenta-Container. Man zeigt einfach am Eingang seine documenta-Eintrittskarte und ist drin. Drin heißt: im Museum. Hmm, ich wollte aber eigentlich gar nicht ins Museum, sondern zur documenta. Zum Glück gibt es Museums-Angestellte, die mich dann aufgeklärt haben:
Es scheint Tradition zu sein, dass im Schloss Wilhelmshöhe immer ein paar documenta-Objekte als eine Art Schnitzeljagd zwischen die normalen Bilder des Museums gehängt werden.
Im zweiten Stock gibt es auch eine Video-Installation. Tja, das war dann wohl nichts. Aber draußen sollte noch ein Objekt "Shipwreck and Workers" von Allan Sekula sein.
Da war aber kein Shipwreck. Es stellte sich heraus, dass es nicht dort, seitlich des Schlosses, sondern weit oben in der Nähe des Hercules ist, ca. eine halbe Stunde zu laufen.
Der Herkules war eingerüstet, und die Beine waren müde. Das Shipwreck ist wohl auch kein richtiges Objekt, sondern nur eines der vielen Plakate von Allan Sekula.
Somit bleibt beim Schloss Wilhelmshöhe nur das Reisfeld, und deswegen lohnt sich die Fahrt meines Erachtens nicht. Es gibt ja auch noch das Mohn-Feld.